Ein Regimentsphilosoph, eine Reise und ein Jagdschloss

Hört, hört oder besser – lest, lest!

Burghard Ostertag
Mjr d. Inf. und Regimentsphilosoph

Tag 1

Es gibt nichts, was einen Offizier des k.u.k. Infanterieregimentes „Erzherzog Leopold Salvator“ Nr. 18 nicht kann. Nicht kann? Irgendwie, gestört durch die Euphorie bei unserem Regimentsinhaber eingeladen worden zu sein, sowie die thermischen Umstände, die dazu geführt haben, dass die einfachen Dinge des Lebens kompliziert werden, wäre die Anreise des Regimentsphilosophen, also von mir, kein Problem gewesen, wenn nicht in kameradschaftlicher Verbundenheit mich meine Kameraden vom Bahnhof abholen wollten.

Es wäre dies selbst nicht das Problem gewesen, wenn wir Alle unsere Handynummern gegen-seitig gespeichert gehabt hätten. Und was nütze mir die Festnetznummer von dem, der mich abholen sollte, wenn diese am anderen Ende von Österreich ist. Nun, da der letzte Bus vom Bahnhof zu dem Ort, wo ich hin sollte ohne mich abgefahren ist und ich noch wartete, dass ich abgeholt werde, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Also nahm ich mit diesem Gefühl, dass ich bestellt, aber nicht abgeholt werde, den nächsten Bus, der zumindest in die Zielrichtung fährt.

Und so kam es auch. Bis Berndorf Zentrum bin ich zumindest einmal gekommen und so wartete ich auf den weiterführenden Bus. Die Haltestelle lag gegenüber dem Stadttheater Berndorf. Und vor diesem Theater steht eine Büste von Kaiser Franz Josef I. Zumindest war somit die thermische Situation erträglich und die Gesellschaft von Kaiser Franz Josef I für mich standesgemäß. Eine bessere Gesellschaft unter diesen Umständen konnte es nicht geben. Bis mich dann mein Regimentskommandant Oberst Jordan auf dem Handy erreichte und er in Unkenntnis der Gegend doch noch zum Stadttheater fand und mich von der Straße aufgelesen hat.

Gerettet! Sobald ich in Hernstein beim Quartier angekommen bin und mich den Temperaturen entsprechend umgezogen habe, konnte von mir aus das Fest beginnen. Teile des Regimentskommandos waren gestellt, was so viel bedeutet, keine Schlacht am Buffet ohne unsere Mitwirkung.

Und das Fest als solches erlaube ich mir als exorbitant zu bezeichnen. Denn die Organisation war so, dass sich jeder Anwesende aussuchen konnte, wann sich wer an der Schlacht am Buffet zuwendet und wann wer sich bei welchem Programmpunkt beteiligt. Und es gab viele Programmpunkte, die sehr bemerkenswert waren.

Herausheben möchte ich hier vor allem, dass bei der restaurierten Kapelle von Schloss Alkersdorf zwei Investituren des Ordens vom goldenen Sporn waren und zwar wurde Bernd Hoehle und seinem Kameraden in den Orden aufgenommen. Etwas später wurde auch bei den Maltesern Nachwuchs eingereiht, sowie zwei weitere Herren. Eine sehr würdige Einweihung dieser Kapelle. Jedenfalls die herzlichsten Glückwünsche vom Regiment.

Aber ich komme zurück zu uns. Wir waren nicht nur vom Regiment anwesend, wir wurden durch den Chefinsp. iR Hans Peter Nigmann, Peacekeeper Landesleiter Vorarlberg  verstärkt. Auch Vertreter der Gemeinde Sappada waren hier. Der Bürgermeister von Sappada entsandte an seiner Stelle Frau Dr. Marcella Benedetti. Doch darüber mehr nach der Enthüllung eines Denkmales der Flamme des Friedens an der Quelle des Piave.

Beim Fest in Alkersdorf waren nach Angaben des ORF ca. 800 Gäste aus allen Teilen der Donaumonarchie anwesend. Sehr viele Uniformen der alten k.u.k Regimenter wurden gesichtet, wie auch Vertreter der Marine. Doch an Uniformen waren ebenfalls auch zivile Organisationen anwesend, die besonders im Bereich des Katastrophendienstes arbeiten. Da ich auch bei der Vereinigung österreichischer Peacekeepers bin, ist mir ebenso die Präsenz des VÖP aufgefallen, was sicherlich dem Geist der Flamme des Friedens entspricht.

Die Damenwelt war von der Mode aus der Zeit der Donaumonarchie besonders präsent. Von Damen im Reitkostüm bis zu weiter zurückliegenden Mode der Reifröcke. Jedenfalls für mein Auge ein mehr als nur angenehmes Bild. Sehr viele Herren konnte ich in Lederhosen ausmachen, was mich im Nachhinein deswegen ärgert, weil ich es vielleicht temperaturmäßig besser empfunden hätte, aber solche kleidertechnischen Fragen beantworten sich immer erst hinterher. Hier habe ich vorsorglich schon einmal beim den Antrag gestellt, dass wir bei uns 18nern Kilt einführen, wenn die Temperatur 30o Grad plus erreicht, wenn wir antreten müssen.

So vielfältig die Mode vertreten war, so vielfältig waren auch die Gäste aus allen Richtungen hier anwesend. Nicht nur aus dem diplomatischen Corps, sondern auch die Angehörigen der verschiedensten Gemeinschaften, die mit Sandor Erzherzog Habsburg-Lothringen-Toskana und seiner Gattin verbunden sind, machten ihre Aufwartung. Vom ukrainischen General bis zum italienischen Oberst habe ich festgestellt, dass sich hier ein Europa und eine Welt eingefunden haben, die sehr wohl damit beweisen kann, dass es genauso anders geht, als uns ständig vorgemacht wird.

Ich stelle mir gerade vor, während ich diesen Bericht schreibe, wenn es mehr solcher Festivitäten gäbe, dann würden sich völlig neue Tore und Türen öffnen und ebensolche neuen Wege ergeben. Doch die Anstrengungen dafür bei solchen Temperaturen, das halte ich altersbedingt nur noch sehr schwer aus, auch dann, wenn die Versorgung medizinischer Art bestens organisiert war. So waren nur zwei Einsätze zu verzeichnen, die jedoch nicht sehr beängstigend gewesen sind. Alles in Allem, es war ein exorbitantes Fest.

Es möge mir und meinem dazugehörenden Alter nachgesehen werden, wenn ich bei diesen thermischen Umständen mir das Fest genussvoll auf mich wirken ließ und daher nicht um die vielen verschiedenen Anwesenden gekümmert habe, aber unser Oberst war selbst in einem euphorischen Zustand, dass er den wesentlich besseren Überblick hatte und daher auch die korrekteren Auskünfte geben kann. Denn, wer sich wirklich dafür interessiert, der kann sich bei unserem Oberst informieren. Für mich galt nur, überleben ist Alles.

 

Tag 2

Am nächsten Tag fuhr unser Oberst mit mir noch einmal zum Schloss Alkersdorf um die Flamme des Friedens für Sappada abzuholen. Danach brachte er mich zum Bahnhof, von dem ich dann die Heimreise angetreten habe. Mich machte schon die Tatsache stutzig, dass auf der Herreise keine Probleme bei der Bahn aufgetreten sind. Dafür komprimierte dann die Bahn dies bei der Rückreise.

Am Hauptbahnhof, dem Neuen, stellte ich fest, es gibt einen Rail Jet, der nach Vorarlberg führt, über den Wiener Westbahnhof. Und wie es sich herausstellte, war dies mein Glück. Vom Hauptbahnhof bis zum Westbahnhof, so sollte man allgemein meinen, wären es nur wenige Minuten. Aber nicht mit der Bahn. Trotzdem war ich um Mittag endlich dort und verließ diesen Rail Jet, weil Überfüllung eine leichtere Untertreibung gewesen wäre. So wartete ich lieber zwei Stunden auf den nächsten Rail Jet. Und wie der Zug, den ich vom Hauptbahnhof bis zum Westbahnhof benutzte, war auch dieser in zwei Teilen. Der vordere Zug wurde in Feldkirch abgekoppelt und ging nach Zürich weiter, der hintere Zug bis Bregenz.

Nun, soweit, so gut. Mit dem Platz war es auch kein Problem, obwohl sehr viele Reservierungen vorhanden waren, was ich durchaus verstehe. Auch die pünktliche Abfahrt war kein Problem. Eigentlich war es so, wie man sich eine komfortable Zugfahrt vorstellt und gerne hat. Ich wurde auch nicht stutzig nach Salzburg, als mir aufgefallen war, dass die Anzeigetafel, auf die ich regelmäßig einen Blick warf, irgendwie stecken geblieben ist. Dies teilte ich dann auch dem Schaffner mit, der zuerst konsterniert feststellte, dass ich irgendwie eine Fehlfunktion in der Technik entdeckte.

Doch der Zug donnerte jedenfalls pünktlich bis Innsbruck. Und hier begann sich zu rächen, dass sich die Probleme nicht auf die Hinreise aufgeteilt hatten. Wir standen und ich schaute immer wieder auf die Bahnhofsuhr, aber der Zug fuhr nicht. Irgendwann kam der Schaffner uns sagte, wir können ruhig aussteigen, es würde noch etwas dauern. Mein Waggon stand wenigstens direkt vor der Smokerarea, also Raucherzone. Gut, gehe ich eine Zigarette rauchen. Und ein wenig später schien es so, als würde die Fahrt weiter gehen und ich in den Zug. Die Hoffnung währte nur solange, bis eine Durchsage kam und kurz darauf die Fahrdienstleiterin des Bahnhofes und beide Stimmen teilten uns Fahrgästen mit, der Zug hätte einen technischen Defekt und wir sollten in den vorderen Zug umsteigen.

Als ich so am Bahnsteig stand und sah, wie viele Menschen aus einem Waggon stiegen und so ein Rail Jet hat aber mehrere Waggons die sich ebenfalls leerten, dachte ich mir, dass ich den nächsten Zug nehme. Schließlich habe ich durchaus Zeit und der nächste Zug käme nach Angaben der Fahrdienstleiterin auch am selben Bahnsteig an. Also brauchte ich bei diese Temperaturen nicht weiß ich wohin gehen. Aber es wäre nicht ich, wenn es so gewesen wäre. Während ich wartete versuchten einige junge Leute, Studenten oder Eurotrotter, die unsere Länder bereisten, in den Zug einzusteigen und ich erklärte, dass dieser Zug außer Betrieb ist. Die Fahrdienstleiterin war mir dankbar dafür, denn sonst hätte sie die vielen Fragen beantworten müssen und ich konnte wieder einmal feststellen, wie miserabel mein Englisch ist. Aber wer sich verständigen will, verständigt sich so oder so.

Mit dieser Dankbarkeit der Fahrdienstleiterin verbunden, war die freudige Mitteilung, dass nicht vom Bahnsteig 2, sondern vom Bahnsteig 6 mein Zug abfahren würde. War irgendwie logisch, denn der ausgefallene Zug stand genüsslich am Bahnsteig, wie bestellt und nicht abgeholt oder wie ein Schaustück, welches kein Publikumsverkehr hat. Also übersiedeln auf Bahnsteig 6.

Während ich dort herumstand und auf meinen Zug wartete, unterhielt ich mich mit einer Frau, die ebenfalls lieber den nächsten Zug nahm, als sich freiwillig bei den herrschenden Temperaturen in einen überfüllten Zug zu quetschen. Sie erzählte mir, dass sie mit einem TGV von der Schweiz nach Frankreich fuhr und mitten in einem Tunnel eine Notbremsung mitmachte. Nach einer Weile sei dann die Durchsage erklungen, ob in diesem Zug ein Lokführer sei, der den TGV fahren könne. Worauf ich nur sagte, in einem Zug geht das noch, schlimmer wäre es, wenn eine solche Durchsage in einem Flugzeug erfolgen würde. Und sie meinte nur, dies war in diesem TGV genau die gleiche Reaktion.

Die Anzeige am Bahnsteig verkündete, dass mein Zug voraussichtlich fünf Minuten Verspätung habe. Jetzt machte dies sowieso keinen Unterschied mehr. Dazwischen zeigte die Tafel an, dass ein Zug hier durchfahren würde. Und so kam es auch. Nur nicht mit dem Durchfahren. Die Rollende Landstraße fuhr ein und blieb stehen. Auch gut, aber auf welchen Bahnsteig sollten wir dann wechseln? Denn wo ein Zug steht, kann kein zweiter Zug sein. Ein altes physikalisches Naturgesetz. Und die Zeit wurde immer knapper. Doch die Bahn hatte ein Einsehen und ließ die Rollende Landstraße weiterfahren. Dafür kam der verspätete Zug nur um zwei oder drei Minuten zu spät.

Und so schaffte ich doch noch mit ca. einer halben Stunde Verspätung in Feldkirch anzukommen. Gut, die Bahn auf Sizilien schafft eine Verspätung zwischen zwei Stationen in diesem Ausmaß locker. Also, was soll es. Und wie ich am nächsten Tag erfahren habe, hat Kamerad Nigmann einen Aufenthalt im Arlbergtunnel von einer Stunde. Dafür brauchte er nicht zu schwitzen. So gesehen hatte dies auch etwas Positives.

Ich muss zugeben, ich bekomme langsam ein schlechtes Gewissen gegenüber der ÖBB. Wenn bei der Bahn nicht immer etwas so funktioniert, wie es funktionieren soll, dann ist nicht immer auch die Gewerkschaft mit einem Streik schuld, es kann durchaus sein, dass ich in einem Zug sitze. Jetzt bin ich zu Hause, das nur zur Beruhigung.

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